Nikolaus

Der Heilige Nikolaus

Die Legenden zu seinem großen Wirken als Heiliger


Die Erzählungen über die wunderbaren großen Taten zielen darauf ab, Nikolaus als derart großen Heiligen darzustellen, wie er zu jener Zeit verehrt wurde. Die Texte bringen auf literarische Weise in sprachlicher Gestalt zum Ausdruck, was die Ikonenmalerei ins Bild setzt. Die Literatur gehört nach antikem Verständnis zu den Künsten. Dementsprechend ist es das Anliegen dieser Erzählungen, die Wahrheit über Nikolaus als den großen Heiligen nach allen Regeln der Kunst zum Ausdruck zu bringen, nicht etwa in einem biographischen Sinn gemäß heutigem Verständnis. Analog zur Ikonenmalerei malen diese Erzählungen auf literarische Weise aus, welch großer Heiliger Nikolaus ist, und dies nicht etwa aufgrund irgendwelcher persönlicher Leistungen in seiner Biographie, sondern aus Gottes Gnade.

Die Erzählung von der Rettung der drei Offiziere [»Stratelatenwunder«, »Praxis«]



1. In der guten Zeit des Kaisers Konstantin ereignete sich ein Aufstand von den Taiphalen. Darüber wurde dem gottesfürchtigen Kaiser berichtet. Sofort also sandte er drei hohe Offiziere namens Nepotianos, Ursos und Herpylion zusammen mit den ihnen unterstellten Soldaten aus. Diese brachen aus dem glückseligen Konstantinopel auf, segelten in die Provinz Lykien und landeten in der Hafenstadt Andriake an, dem Hafen der drei Meilen entfernten Metropole Myra. Und sie stiegen aus den Schiffen aus, denn um auf die hohe See hinauszufahren, war ihnen das Wetter nicht günstig.   weiter

2. Es stiegen also einige der Soldaten aus. Sie wollten sich erholen und Proviant aufnehmen und wollten sich erfreuen lassen. Sie wurden angegangen, die Soldaten, und sie gingen ihrerseits die Leute an. Aufruhr und Lärm erhoben sich an dem Ort, der Plakoma genannt wird, so dass es bis in die Metropole Myra zu hören war, und man war bestürzt über die Soldaten, die so zuchtlos waren und Streit suchten.

3. Dies hörte auch Gottes heiliger Bischof Nikolaus, der dortigen heiligen Kirche Hirt und Lehrer. Das Volk beruhigte und besänftigte er, nicht vorschnell oder trotzig zu handeln. Sogleich ging er nach Andriake. Und alle, die ihn dort sahen, begrüßten ihn hochachtungsvoll mit geziemender Ehrfurcht.

4. Auch die Offiziere lernten ihn kennen, sie begrüßten ihn ehrfurchtsvoll und machten ihm ihre Aufwartung. Sie wurden von ihm gefragt, wer sie denn sind und woher und aus welchem Grund sie denn gekommen seien. Sie antwor-teten: »Wir sind Männer des Friedens und wir wurden von unserem gottesfürchtigen Kaiser bis Phrygien gesandt und wir ziehen zum Kampf gegen Aufständische. Es bete also für uns deine Heiligkeit, auf dass wir auf einem guten Weg sein mögen.« Der heilige Bischof bat sie, hinaufzukommen in die Stadt und Segen durch ihn zu empfangen. Die Offiziere scheuten also ehrfurchtsvoll die Gegenwart des Heiligen und seine Milde und sie befahlen, dass alle Frieden wahren und dass keiner der Soldaten es wagen solle, jemandem etwas zuzufügen oder etwas Ungebührliches zu tun.

5. Aus der Stadt kamen einige, begrüßten den Heiligen ehrfurchtsvoll und sagten zu ihm: »Herr, wenn du in der Stadt wärest, dann würden so drei Hinrichtungen von Unschuldigen nicht geschehen. Der Provinzpräfekt, der Bestechungsgelder angenommen hat, hat befohlen, dass drei Männer mit dem Schwert getötet werden. Die ganze Stadt beklagte nicht wenig, dass du nicht dort warst.«

6. Als der heiligste Bischof dies hörte, wurde er betrübt. Und sofort rief er die Offiziere herbei und machte sich ge-meinsam mit ihnen auf in die Stadt. Und als er an dem Ort eintraf, der nach dem Löwen benannt ist, fragte er die An-wesenden nach den Verurteilten, ob sie noch leben. Und sie sagten, dass sie noch leben und dass sie auf der Straße zu den Dioskuren sind. Dann ging er hinaus zum Martyrion der heiligen Kriskes und Dioskorides und wiederum fragte er und brachte in Erfahrung, dass sie gerade schon dabei sind, das Tor hinauszugehen. Und als er selbst zum Tor kam, sagten ihm die Leute dort, dass sie unterwegs sind zum Berras; denn dies war der Ort für jene, die bestraft und dem Tod übergeben werden.

7. Schnell lief er weiter und fand dort eine große Menge sowie den Henker, der das Schwert in der Hand hielt, um sie hinzurichten, der aber auch die Gegenwart des Heiligen zuließ. Dieser heilige Mann kam also und sah die drei Männer, die gerade das Urteil hinnehmen, mit verbundenen Augen und auf die Knie gebeugt und die Hälse ausgestreckt zum Enthaupten. Der Heilige eilte also schnell herbei, entriss dem Henker das Schwert und warf es weit weg. Er löste ihre Fesseln, führte sie in die Stadt und sagte: »Ich bin bereit, anstelle dieser Unschuldigen zu sterben« (vgl. Apg 21,13). Niemand von der Wache wagte, sich ihm entgegenzustellen oder zu widersprechen, sahen sie doch seine Gottesfreundschaft und sein Unerschrockensein. Denn wahrlich, gemäß der Schrift (Spr 28,1), »der Gerechte ist furchtlos wie ein Löwe«.

8. Und er kam in das Prätorium [der Präfektur] und klopfte an die Tür. Als der Provinzpräfekt Eustathios durch seine Wache von der Gegenwart des Heiligen gehört hatte, kam er schleunigst heraus und begrüßte ihn ehrfurchstvoll. Dieser aber stieß ihn weg und sagte ihm das Berechtigte: Tempelräuber und Blutsauger, Gesetzesbrecher und Feind Gottes. Und er sagte in aller Deutlichkeit: »Der du keine Gottesfurcht hast und Unschuldige schamlos töten lässt, du bist mir unter die Augen gekommen. Darum, weil du all dies Schlechte tust, werde ich dich ganz und gar nicht ver-schonen. ›Zu tückischen Menschen schickt Gott tückische Wege‹ (Spr 21,8a LXX). Der gottesfürchtige Kaiser erfährt all das über dich, wie du verwaltest bzw. eher wie du diese Provinz ausplünderst und wie du auf gesetzlose und will-kürliche Weise Menschen abschlachtest aus Habgier und wegen schändlichen Gewinns.«

9. Der Provinzpräfekt aber fiel auf die Knie und bat ihn: »Zürne nicht mit mir, Herr, Vater. Erkenne vielmehr, dass nicht etwa ich daran schuldig bin, sondern die Oberen der Stadt, Eudoxios und Simonides, die anklagenderweise gegen sie aufgetreten sind.« Der Bischof aber sagte zu ihm: »Nicht Eudoxios und Simonides, sondern, um es wahrheitsgemäß zu sagen, ›Goldglanz‹ und ›Silbergeld‹ haben dich geschäftetreiberderweise dazu bewegt, in dies einzusteigen.« Denn es war bekannt geworden, dass er zweihundert Pfund Gold angenommen hat, damit er sie auf üble Weise beseitige. Und noch vieles erfuhr der gottgefällige Mann von den Offizieren, und er hielt dem Provinzpräfekten die Missetat fest, und er hielt als nicht rechtskräftig fest, was von ihm auf ungerechte Weise getan worden war gegen die zuvor genannten drei Männer.

10. Die Offiziere hielten Mahl mit dem heiligsten Bischof und sie baten ihn, ein Gebet darzubringen für sie. Sie empfingen von ihm den Segen, verabschiedeten sich von ihm und segelten von dort weg. Sie marschierten in Phrygien ein, befriedeten jene Orte, und entfernten von dort alle Aufständischen und Bewaffneten. Und da sie den Frieden für das Vaterland entschieden haben, kehrten sie zurück ins allglückselige Konstantinopel. Und ihnen wurde ein großer Empfang zuteil von den Soldaten dort, von den Schwerbewaffneten und von der ganzen (Senats-)versammlung dort, die Siegeszeichen und Trophäen trugen. Und sie grüßten ehrfurchtsvoll den Kaiser, und sie berichteten alles über den Frieden. Und sie waren im Palast, ruhmreich geehrt.

11. Eifersucht aber aus dem Teufel erhob sich von den Offizieren dort. Und sie sagten dem Eparchen Ablabios, dass sie auf das Kaisertum aus sind und in Heuchelei und List vom Frieden reden: »Wenn aber eine günstige Gelegenheit sich ihnen gibt, dann wird ihre Schlechtigkeit offenkundig werden. Deswegen ist es besser, mitten aus unserer friedfertigen Staatsordnung die Hinterlist zu beseitigen. Wir haben also euch dies wissen lassen, zu dem Zweck, dass ihr dem Sachverhalt eure Aufmerksamkeit schenkt und ihr auf verborgene Weise, bevor sie es wahrnehmen, dem Herrscher des Erdkreises vorstellen könnt, um sie umgehend und ohne irgendeinen Aufruhr zu vernichten.« Des sagten sie und versprachen, ihm auch Geschenke zu geben, 1.700 Pfund Gold.

12. Als der Eparch dies gehört hatte, glaubte er ihnen die Absprachen über die Zuwendungen, er ging zum Kaiser und sagte: »Majestät, da du auf gottesfürchtige und christusliebende Weise das Reich regierst und der ganze Erdkreis Frieden erfährt in diesen Zeiten der Entspannung, neidete der Teufel dieses glückliche Geschick und hat uns aus dem eigenen Haus heraus Feinde erstehen lassen. Denn er kam in die Herzen der Offiziere, die nach Phrygien auszogen und zurückgekehrt sind. Sie betreiben eine Verschwörung gegen deine Herrschaft, sich zu erheben gegen euer friedfertiges Königtum, und sie versprechen denen, die daran mitwirken und sich eifrig bemühen, Beförderungen ihrer Stellung, Zuwendungen und Vermögen im Überfluss. Der Feind und Gegner unseres Friedens, der Teufel, ist stets eifrig bestrebt, dies zu wirken durch jene, die ihm gehorchen. Aber der menschenfreundliche Gott, der Meister eurer gottesfürchti-gen Königsherrschaft, der für das ganze Menschenge-schlecht Sorge trägt, hat nicht zugelassen, dass die Tat ver-borgen geblieben ist, sondern er gab in die Herzen gewisser Mitwisser ein, zu mir zu kommen und mir dies aus dem Plan anzuvertrauen. Nachdem ich dies nun erfahren hatte, konnte ich nicht schweigen, argwöhnte die Rache Gottes und die Drohung aus eurem Unwillen; sondern ich brachte es vor eure göttliche Hoheit, auf dass ihr das euch Dargestellte vereitelt.«

13. Nachdem der Kaiser dies gehört hatte und insbeson-dere, dass gegen ihn und seine Herrschaft der Aufstand beabsichtigt ist, wurde er sehr zornig. Und da er meinte, dass der Eparch die Wahrheit sagt, befahl er, schnell und unverzüglich und unverifiziert sie gefesselt im Gefängnis zu inhaftieren. Es traf sich nämlich aus göttlicher Vorsehung, dass er verärgert war über zwingende (Staats-)Geschäfte in jenen Tagen.

14. Und nach einer gewissen Zeit kamen, die sie ver-leumdet hatten, die Feinde der Wahrheit, zum Eparchen, brachten ihm die versprochenen Vermögenswerte und drängten ihn zum Tod über sie. Sie sagten: »Wessen Gnade haben sie es verdankt, dass sie bis zur Gegenwart leben und nicht zügig als Inhaftierte hingerichtet werden? Indem sie sich so durchbringen, auch wenn sie im Gefängnis sind, können sie durch den Kreis irgendwelcher ihrer Freunde herausgeholt und freigelassen werden. Und wir stehen da, dass wir uns vergebens für den Frieden einsetzen.«

15. Nachdem der Eparch von ihnen belästigt worden war, ging er also zum Kaiser und sagte: »Herr, wir sind verdrießlich geworden, dass jene Frevler noch leben, die nach eurer Herrschaft trachteten. Aber sieh, sie haben nicht davon abgelassen, danach zu trachten; sie haben Mitwisser von außerhalb, wie ich genau erfahren habe.« Als der Kaiser hörte, dass sie auch im Gefängnis noch gegen ihn zugange waren, befahl er, dass sie des Nachts durch das Schwert hingerichtet werden. Der Eparch, dem es überlassen worden war, schickte also zum Kerkermeister und ließ ihm sagen: »Die drei Männer, die du hast im Gefängnis hast, mach dich bereit, dass die Schuldigen des Nachts beseitigt werden.

16. Als der Kerkermeister Hilarion das hörte, wurde er sehr betrübt und mit Tränen sprach er zu ihnen: »Geschätzte Männer und meine Herren, Furcht hat mich gepackt und Bangen, und ich zittere um euer Schicksal und ich scheue mich, mit euch zu sprechen. Aber die Notwendigkeit treibt mich, euch Bescheid zu geben. Ach dass ich euch doch nur nicht kennengelernt hätte! Deshalb schmerzt es mich sehr und es bedrückt mich, euch zu sagen, dass wir schon voneinander getrennt werden, da befohlen wurde, euch des Nachts zu töten. Wenn euch also irgendetwas wichtig erscheint in den euch betreffenden Angelegenheiten, beschließt es und erledigt es. Das mir vom Eparchen Mitgeteilte habe ich euch wissen lassen.«

17. Nachdem diese das gehört hatten, begannen sie kurz zu weinen, zerrissen ihre Kleider und rauften ihre Haare. Sie aßen Staub, schrien auf, klagten, waren ratlos über den unerwarteten Tod und sagten: »Was ist der Grund, was unser Unrecht, dass wir so plötzlich und ohne Verurteilung hingerichtet werden, und dass wir nicht zur Untersuchung und Befragung geladen werden, und sei es wie Verbrecher?«

18. Nepotianos aber, einer von ihnen, kam zur Erinnerung daran, was der heilige Nikolaus, der Bischof in der Stadt Myra, gemacht hat, und auf welche Weise er die drei Männer gerettet hat, die sie schon dabei waren hinzurichten. Er sagte jammernd mit vielen Tränen und Seufzern: »Herr, Gott deines Knechtes Nikolaus, erbarme dich unser wegen deiner Barmherzigkeit und wegen der Fürsprache deines ehrenwerten Dieners Nikolaus. Und wie du seinetwillen Erbarmen hattest mit jenen drei Männern, die unschuldig verurteilt worden waren, und sie aus dem Tod entrissen hast, so rufe jetzt auch uns empor, gnädig gestimmt durch die Fürbitte dieses deines heiligen Priesters. Denn wir glauben, dass er, wenn er auch dem Leib nach nicht gegenwärtig ist, er doch aber dem Geist nach gegenwärtig ist, unsere Bedrängnis sieht und den Schmerz unserer Seele, dass er selbst deine Güte für uns anrufen wird.«

19. Und sie schrien gemeinsam: »Heiliger Nikolaus, wenn du auch weit weg von uns bist, nahe werde dein Gebet für uns, und bei dem menschenfreundlichen Gott bitte inständig für uns. Denn er wird den Willen derer tun, die ihn fürchten, und er wird das Bitten von ihnen erhören; auf dass wir, durch deine Fürbitte gerettet vor der uns drohenden Gefahr, gewürdigt werden, persönlich zu kommen und deine Heiligkeit zu verehren, o gerühmter Vater.« Dies sagten die drei, und wie aus einem Mund flehten sie zu Gott, nicht daran zweifelnd, dass Hilfe eintritt und Beistand vom Himmel her.

20. Durch Gottes Gnade – der Erbarmen hat mit allen und der sich schnell vor jene stellt, die ihn aus ganzem Herzen suchen, und der stets jene verherrlicht, die ihn verherrlichen, und der jene rettet, die demütig sind im Geist – erschein der heilige Nikolaus in jener Nacht dem Kaiser und sagte zu ihm: »Konstantin, steh auf und lass die drei Männer, die Offiziere, frei, die du im Gefängnis hast, weil sie auf ungerechte Weise verleumdet worden sind. Wenn du aber nicht auf mich hörst, werde ich dir einen Krieg in Dyrrha¬chion zur Fügung machen und dein Fleisch den Tieren und Vögeln zum Fraß vorwerfen, nachdem ich ein Gebet gemacht habe gegen dich bei Christus, dem erhabenen König.« Und der Kaiser sagte: »Wer bist du und wie bist du so ohne weiteres zu dieser Stunde in meinen Palast hineingekommen?« Und die Stimme sagte zu ihm: »Ich bin Nikolaus, der sündhafte Bischof, und bin in der Metropole Myra in Lykien.« Und da er dies gesagt hatte, entschwand er.

21. Und er ging, erschien dem Eparchen und sagte zu ihm: »Ablabios, einfältig an Geist und Verstand, steh auf und lass die drei Männer frei, die Offiziere, die du im Ge-fängnis hast und die du wegen deiner Geldgier vernichten willst. Wenn du sie aber nicht freilassen willst, werde ich ein Gebet machen gegen dich bei Christus, dem erhabenen König, und du wirst in eine schlimme Krankheit stürzen und wirst zum Fraß von Würmern, und dein ganzes Haus wird elend zugrunde gehen.« Der Eparch sagt: »Wer bist du, dass du so etwas sagst?« Und er sagte: »Ich bin Nikolaus, der sündhafte Bischof der Metropole Myra.« Und da er dies gesagt hatte, entschwand er.

22. Und nachdem der Kaiser aus dem Schlaf aufgeweckt worden war, rief er seinen Boten und sagte ihm: »Geh, mel-de dem Eparchen, was sich mir hat sehen lassen; denn dies und jenes sah ich im Traum.« Und auf gleiche Weise sandte auch der Eparch seinen Boten, dem Kaiser zu melden, was sich ihm gezeigt hat. Als es Morgen wurde, ließ der Kaiser sie vorführen in Gegenwart der (Senats-)versammlung und des Eparchen.

23. Als sie auftraten, sagte zu ihnen der Kaiser: »Sagt mir, mit welchen Zaubereien habt ihr uns derartige Träume heraufbeschworen?« Sie aber schwiegen. Als sie wiederum, zum zweiten Mal, gefragt wurden, antworteten sie durch Nepotianos: »Majestät, wir beherrschen keine Zauberei. Sollten wir aber befunden werden, dass wir so etwas getan haben oder etwas anderes Übles gegen eure Herrschaft in Erwägung ziehen, dann sollen wir mit der Enthauptungs-strafe belegt werden, o Herr.«

24. Spricht der Kaiser zu ihnen: »Kennt ihr einen gewis-sen Nikolaus?« Als sie den Namen Nikolaus hörten, wurden sie frohen Mutes und sagten: »Herr, Gott des heiligen Nikolaus, der du durch ihn einst jene gerettet hast, die unrechtmäßig hingerichtet werden sollten, jetzt befreie auch uns vor dem bevorstehenden Übeln, die wir unschuldig sind.« Wieder spricht der Kaiser: »Sagt mir, wer ist dieser Nikolaus und inwiefern ist er für euch von Bedeutung?« Darauf antwortete Nepotianos, wer er ist, wie er so tätig ist und was er vor ihren Augen getan hat und wie er die drei Männer vor dem Tod bewahrt hat, das ließ er ihn wissen, und er sagte: »Jetzt sind wir es, o Herr, die in dieser unserer Not und Bedrängnis seine Gebete angerufen und ihn zu Hilfe gerufen haben, Fürbitte zu leisten für uns beim menschenfreundlichen Gott.«

25. Dann spricht der Kaiser: »Seht, nun seid ihr freigelassen; dankt dem Mann. Denn nicht ich schenke euch das Leben, sondern Gott und Nikolaus, den ihr angerufen habt. Geht also dorthin und lasst euch die Haare scheren, die euch gewachsen sind, als ihr im Gefängnis wart, sagt ihm Dank und richtet ihm auch von mir aus: ›Sieh, deine Weisung habe ich erfüllt. Drohe mir nicht, sondern bete für mich und meine Königsherrschaft, und bete bei Gott, dem Herrscher von allem und Lenker* , dass weltweiter Friede werde.‹« Und er gab ihnen Kostbarkeiten, ein goldenes Evangeliar, zwei goldene Kerzenleuchter und andere goldverzierte Gerätschaft, um dies jenem heiligen Mann zusammen mit Schriftstücken zu überbringen.

26. Die Männer nahmen dies also und gelangten nach Lykien, grüßten ihn ehrfurchtsvoll, sie erzählten, was ihnen geschehen war, gaben ihm die Schriftstücke des Kaisers und die Kostbarkeiten, sie ließen sich die Haare scheren und gaben an Bedürftige aus ihrem eigenen Besitz. Und es freute sich über sie auch der heiligste Bischof Nikolaus, und er segnete sie und schickte sie weg mit Schriftstücken und Segenswünschen. So also bedankten sich die drei Männer, verabschiedeten sich von ihm und kehrten zurück mit Freude, indem sie den menschenfreundlichen Gott verherrlichten für die ihnen zuteil gewordene Rettung. Ihm sei der Ruhm und die Herrschaft in alle Ewigkeit. Amen.

[orig: griechischer Text Rezension I, Anrich Bd. I, 67-77; deutsche Übersetzung: Thomas Schumacher]

Die Erzählung vom Vater und den drei Töchtern



Es war einmal ein Mann aus ruhmreichem und gutem Hause; sein Lebensstandard war dementsprechend hoch. Dieser Mann war aus Hinterlist und Mißgunst Satans, der allzeit in Versuchung führt, die sich entschließen, Gott entsprechend zu leben, durch große Armut und Ausweglosigkeit abgestürzt und aus Wohlstand ins äußerste Unglück geschlagen worden. Dieser Mann hatte drei Töchter, wohlgeformt und schön und von beeindruckender Gestalt.   weiter

Er war schon im Begriff, sie in ein Freudenhaus zu schicken und so den Lebensunterhalt für sich und seine Familienangehörigen zu verschaffen. Denn obwohl sie auf rechtschaffene Weise ihr Leben führten, wollte wegen ihrer Armut niemand von den stolzen Männern sie zur Frau nehmen. Auch niemand von denen, die noch schwächer dran waren und die noch weniger Besitz hatten, war so mutig, dies zu tun. Und so wusste der Mann nicht mehr weiter und, völlig erschöpft vom andauernden Bitten zu Gott, kam er zur Entscheidung für den Plan, seine Mädchen in die Grube einer solchen Schande preiszugeben.

Aber der menschenfreundliche Herr, der niemals will, dass ein zu ihm gehörendes Geschöpf der Sünde überliefert wird, schickte ihm einen guten Engel, den sozusagen göttlichen Nikolaus, der ihn zusammen mit seinem ganzen Haus aus der Armut und aus dem Verderben erlöste und zum alten Wohlergehen führte. Dies erfuhr nämlich der verehrte und wahrhaft gläubige Hausverwalter des Herrn, der er war und als der er sich erwies, und er trug jenes Salomonwort, voller Hilfe im Sinn: »Einen frohen Mann und Geber liebt Gott«, und »Wer sich eines Armen erbarmt, wird seinerseits ernährt« und ferner: »Sorge dich um Schönes [Gutes] vor dem Herrn und den Menschen«, und das am meisten passende hierher übertragen: »Rette, die in den Tod weggeführt werden« – Er [Nikolaus] wurde ihnen als bereitwilligster Helfer zum Beistand und rettete sie, als sie schon weggeführt wurden in den Tod eines sündig-ausschweifenden Lebens, durch die Beisteuerung von und Ausstattung mit Vermögen aus seinem eigenen Besitz.

Aber sieh [nun selbst] den Verstand des Gerechten und die Art der Barmherzigkeit und gerate in Staunen, wie er seine Tugend nicht gern nach außen zeigte. Um so mehr werde voll Eifer, damit du auch selbst Erbarmen findest, der du in hohem Maß die Menschenfreundlichkeit Gottes nötig hast, oder um mit einem Herrenwort zu sprechen: »Wer sich erbarmt, wird Erbarmen finden«. Nikolaus, ein Vorbild an ungeheuchelter Züchtigkeit und an Mitgefühl, wollte als Urheber dem Mann Gutes tun aus seinem eigenen Vermögen und ihn zusammen mit seinen Töchtern herausführen aus der ihnen bereits bestimmten Schande und aus der entehrenden Tat. – Was tat er? Er sah ihm nicht ins Gesicht und unterhielt sich nicht über die Gabe oder über die Linderung, zugleich hielt er jenen frei von der Scham, und zugleich war er bedacht, seine eigene Barmherzigkeit nicht hinauszuposaunen. Ein Bündel mit genügend Gold warf er in einer stillen Stunde durch die Tür in sein Haus, und ging dann schnell nach Hause.

Der Bedachte fand es, als der Tag anbrach, und vor Freude vergoss er Tränen ohne Halten, er dankte Gott mit Staunen und Verwunderung und überlegte bei sich, von woher ihm wohl dieses Gut zugefallen sein mag. Dies nahm der Vater der Mädchen also als die wie von Gott gegebene Mitgift an, da er vermutete, dass dieser Glücksfund eine hinreichende Aussteuer sei; und er richtete seiner ersten Tochter auf unübertreffliche Weise eine Brautgemachsfeier aus; und indem er sie durch die Vermittlung des heiligen Nikolaus vermählte, ermöglichte er ihr ein ehrenvolles Leben mit Herzensfreude und Glück.

Dies nahm der Mann Gottes und großherzige Wohl-täter zur Kenntnis und er sah, wie seine gute Tat zu einem guten Werk und Heil geführt hat; und so warf er zu dem Ziel, die Hochzeit der zweiten Tochter zu ermöglichen, einen weiteren, zu einer stillen Stunde einen ebenso großen Bund mit Gold durch seine Tür, und begab sich mit Eile nach Hause.

Dieser aber, als er des Morgens die Schwere des Schlafs ablegte, fand er zu seiner Verwunderung unerwartet die gleiche Gabe von Gold. Da neigte er sein Gesicht zur Erde, und mit Dankesseufzern, wie es recht ist, verkündete er zu Gott, dass er den Mund gar nicht zu ihm öffnen könne, weil er so bestürzt war ob der Verdoppelung der segensreichen Tat. Mit Herzensgebeten und wortlosen Gebeten sprach er: »Zeige mir, o barmherziger Herrscher, deinen Engel unter den Menschen, der uns neulich so gutes erwiesen hat. Zeige mir, wer uns diesen deinen so reichen Schmaus bereitet hat, und was für einer dieser ist, der aus deiner reichen Güte ohne Maß uns Niedrigen das Heil schenkt, durch das ich uns aus dem erwarteten Sündentod und aus der gefürchteten Armut herausziehen werde. Denn siehe, durch deine unerwartete Hilfe gebe ich nun auch meine zweite Tochter in eine rechtmäßige Ehe und, da die Vorsehung uns vor der Verzagtheit verschont hat, anstelle des Frevels versetze ich sie in den Zustand einer Freien. Ich rühme deinen allheiligen Namen und preise dein grenzen-loses Gutsein zu uns Unwürdigen.«

In der Folge verheiratete der Vater in ähnlicher Weise wie bei der ersten Tochter so auch die zweite mit einem Mann, indem er die durch seinen Diener Nikolaus vermittelten Gaben Gottes dafür einsetzte. Nüchtern und aufmerksam wachte der Vater in den kommenden Nächten; er lauerte darauf, wie derjenige auch seiner dritten Tochter die Mitgift darbieten würde, der unerkannterweise schon ihren Schwestern solch eine Zuwendung dargeboten hat. Und dann werde er seiner mächtig, da er nicht unbemerkt zu ihm kommen kann, wenn er sich wach hält. Als der Mann darüber seinen Gedanken nachhing und fleißig wachte, da näherte sich Nikolaus, der Verehrer und Diener der Dreifaltigkeit und dieses einen der heiligen Dreifaltigkeit, Christus, unser wahrer Gott. Und wieder an dem bekannten Ort bei tiefer Nacht, weil er auch die dritte Tochter des Mannes ebenso tatkräftig verheiraten lassen wollte, warf er ihm durch denselben Lichtschacht eine ebenso große Gabe von Gold und zog sich dann in aller Stille von dort zurück.

Als der Vater die Ankunft des hineinfallenden Goldgeschenks bemerkte, kam er schnell aus dem Haus herab, holte im Lauf den Heiligen ein, erkannte ihn, wer er war, warf sich selbst kopfüber mit Wimmern zu dessen Füßen nieder, dankte ihm tausendmal mit vielen Worten und nannte ihn »Retter gleich nach Gott«, und zwar seiner selbst sowie seiner drei Töchter, und er sagte: »Wenn nicht unser gemeinsamer Herr Christus deine Güte erweckt hätte, dann hätten wir wohl schon längst in unanständigem und verderblichem Lebenswandel unser Leben zugrunde gerichtet. Jetzt aber hat der Herr uns durch dich, o Glückseliger, gerettet und uns aus dem Schmutz der Unzucht heraus befreit. Dafür notwendigerweise dankzusagen stehen wir in deiner Schuld für alle Tage unseres Lebens, dafür dass du uns die Hände zur Hilfe gereicht hast und dass du uns aufgerichtet hast von der armseligen Erde und dass du uns Armselige aus dem Mist hast auferstehen lassen durch deine freigebige und wahrhaft wunderbare Gabe.« Als der heilige Nikolaus dies gehört hatte, richtete er den Mann vom Boden weg auf und band ihn durch einen Schwur, zu niemandem irgendetwas auszuplaudern, was er an Gutem gewürdigt worden ist, bis zu seinem ewigen Leben. Und er verabschiedete ihn und ließ ihn in Frieden fortgehen.

[orig: Vita per Michaelem n.10-17; deutsche Übersetzung: Thomas Schumacher]

Die Erzählung von der Rettung der Seeleute



Einst fuhren Seeleute über das Meer, als ein sehr heftiger Wind sich erhob, Seegang und Unwetter ihnen zusetzten, und sie in Todesgefahr gerieten. Nur mit Mühe kamen sie dazu, sich des heiligen Nikolaus zu vergegenwärtigen, bei dessen Namen sie ihn um Hilfe anriefen. Unser heiliger Vater Nikolaus aber erhörte, die in Unglück und mit Leid zu ihm riefen, und auf Gottes Geheiß erschien er ihnen in eben der Stunde ihrer Not und sprach zu ihnen: »Seht, ihr habt mich gerufen, und ich bin gegenwärtig und helfe euch.« Da sahen die Seeleute, wie er sie offenbar stärkte und ermutigte und wie er zusammenarbeitete mit ihnen und mithalf an jedem Teil des Schiffes, an den Seilen, meine ich, und an den Masten. So rettete er sie mit Gottes Hilfe aus der Gefahr, geleitete sie hin zum windstillen Ankerplatz und half ihnen, sich wieder zu fangen.   weiter

Diese aber, nachdem sie von Bord gegangen waren, suchten mit Verlangen und Zuverlässigkeit nach dem Retter aus der schwersten Todesnot, um ihm in dankbarer Weise zu huldigen. Und sie fanden ihn in der Kirche, als sie dort waren um nachzuschauen, ihn, der die Liturgie des Christus feierte, und sie sahen ihn, als er wie einer von den vielen Klerikern hereinkam, und obwohl sie ihn zuvor noch nie gesehen hatten, erkannten sie ihn, ohne dass jemand vermittelte, indem sie das Gesicht des Heiligen mit der Erscheinung auf dem Schiff und der Hilfe verglichen. Und sie gingen langsam auf ihn zu, fielen ihm zu Füßen, erstatteten ihm Dank und berichteten, wie er ihnen erschienen ist, als sie auf dem Schiff fuhren, und wie er ihnen beim ersten Schreien bei jenem furchtbaren und bedrohlichen Sturm beistand und sie erlöste.

Der heilige Liturge des Christus schaute die Männer an und mit der durchschauenden Energie seiner reinen Seele erkannte er das von ihnen im verborgenen Getane. Er sagte: »Erkennt euch selbst, Kinder, ich bitte euch, und richtet eure Herzen darauf aus, dem guten und barmherzigen Herrscher und Retter eurer Seelen zu gefallen. Denn die euch eigene Ungerechtigkeit und die Habsucht in eurem Charakter, noch dazu mit der abscheulichen und todbringenden Hurerei, rufen immerfort, wie die Krankheiten die Ärzte, für euer Leben nach der Erziehung durch den menschenfreundlichen Gott. ›Tut nichts schlechtes‹, wie die Schrift sagt, und ›das Schlechte wird euch nicht ergreifen‹! Lernt lieber, auf gute Weise am öffentlichen Leben mitzuwirken, und macht euch die Heiligung des Leibes wie ein zur Rettung unvermeidliches Medikament fest zueigen, ›ohne das niemand den Herrn schauen wird‹, wie euch der erhabene Apostel Paulus lehrt, und ihr werdet fortan als Helfer den Herrn haben in den über euch kommenden Versuchungen. Denn die Tugend der Seele, die als Frucht Gerechtigkeit hervorbringt und ihm schöngewachsen darbringt, bewahrt seine Führung und Fürsorge.«

[orig: Vita per Michaelem n.34-36; deutsche Übersetzung: Thomas Schumacher]

Die Erzählung von den Kornschiffen



Als es dereinst an Getreide mangelte im Gebiet von Lykien, liefen alexandrinische Schiffe voller Getreide den Hafen von Andriake an. Und die Geschäftsleute meldeten dies dem heiligen Nikolaus. Und unverzüglich traf der Heilige von der Stadt Myra her in Andriake ein und forderte die Kapitäne auf, ein wenig Getreide von einem jeden Schiff auszuladen, »damit«, wie er sagte, »wir nicht vor Hunger umkommen.« Sie antworteten jedoch, dass es sich um staatliches Getreide der Kaiserstadt handele, und »wir können dies nicht tun«, gab der Heilige ihnen zur Antwort: »Von einem jeden Schiff entnehmt hundert Scheffel eurer Fracht, und ich werde euch straflos bewahren bei der Anlieferung in Konstantinopel.«   weiter

Und diese taten es bereitwillig und gaben das Getreide frei, und nachdem der Wind günstig geweht hatte, erreich-ten sie Byzanz. Und sie kamen zum Abwiegen des Getrei-des. Und sie fanden ihre Ladungen genau so, wie sie diese von Alexandria her aufgenommen hatten. Und sie staunten darüber und sie fingen an, den Empfängern von den un-fassbaren Wundern des heiligen Nikolaus zu erzählen. Und alle priesen Gott, der immerdar Gnade gibt denen, die ihn lieben.

Das Getreide aber nahm der Heilige, und nachdem er es bemessen hatte, gab er einem jeden. Und sie priesen Gott für alles, und so reichte es allen, die von ihm das Getreide zum Segen nahmen, für einen Zeitraum von zwei Jahren. Darüber hinaus bewahrten sie etwas davon zur Aussaat, streuten es auf ihre Felder, und so konnten sie von Gottes Wohltaten genießen durch die Bitten des heiligen, sich kümmernden Nikolaus.
[orig: Vita per Michaelem n.37-39; deutsche Übersetzung: Thomas Schumacher]